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Leseproben – Biografien
a) vor dem 2. Weltkrieg
b) während des 2. Weltkrieges
c) vor der Wende (1987)
 
a) vor dem 2. Weltkrieg
… doch auch einige sehr liebe Erinnerungen an meine Großmutter Erna Bormann haben sich unauslöschlich in mir festgesetzt, selbst aus den sehr frühen Kindertagen.
Ich war fünf Jahre alt und es war der letzte unbeschwerte Sommer vor dem Krieg, es muss Anfang Sommer gewesen sein, denn die Sonne brannte bereits am frühen Morgen ungewöhnlich stark zu dieser Jahreszeit.
Wieder einmal waren wir auf dem Weg in die idyllisch anmutende Laubenkolonie. Wie alle anderen Kinder wollte auch ich natürlich im Sommer stets barfuß laufen.
„Mädchen, Kind, es ist zu weit, du läufst dir deine Füße wund!“, höre ich noch heute die ermahnenden Worte meiner besorgten Großmutter, die ihre fertigen Handarbeiten zu meinen Eltern brachte. Ein paar wunderschön und farbenfroh gehäkelte Decken.
Wenig später brach sie mit mir vor den anderen Familienmitgliedern zur Kolonie auf. Wir fuhren eine Fähre früher. … aber ich wollte nicht hören und wehrte mich ganz entschieden gegen das Tragen von Schuhwerk an diesem so herrlichen Sommertag.
Gut gelaunt und frohen Mutes ließ ich wenig später meine nackten kleinen Füße von der farblos lackierten hölzernen Bank des Fährbootes im Takt zu den gegen den Rumpf schlagenden Wellen baumeln. Ich lachte meine Großmutter mit einem Gefühl unsagbarer Überlegenheit, meinen Willen durchgesetzt zu haben, an und sie lächelte verschmitzt zurück. Ich wunderte mich, machte mir jedoch keine weiteren Gedanken. Der lange Weg zur Gartenanlage war mir bestens bekannt und ich rannte vergnügt den unbefestigten Weg ein Stück voraus. Ich wollte es mir auf keinen Fall anmerken lassen, denn ich war ja schon groß, wie sehr mir die scharfkantigen, kleinen Steinchen des Weges bald schon zuzusetzen begannen. Scheinbar unbeeindruckt lief ich wenig später etwas humpelnd neben meiner Großmutter her. „… und Else? Wirst du das nächste Mal besser auf deine Oma hören?“
Ach, und wie sie mich anlächelte … verflogen war mein Übermut.
Verschämt nickte ich und sah demütig auf den Boden. Meine Großmutter schüttelte ihren Kopf, griff mir mit der Hand liebevoll in das Haar und setzte sich am Wegesrand in das Gras. „Na komm!“, forderte sie mich auf, sich neben ihr zu setzen und klopfte einladend auf den warmen Boden. Dankbar für die Pause setzte auch ich mich. Stillschweigend kramte sie aus ihrem Beutel ein Taschentuch hervor und machte mir meine schmerzenden und staubigen Füße sauber. Wenig später hatte ich meine Schuhe wieder an. Sie hatte sie einfach eingesteckt, ohne dass ich es gesehen hatte. Ich war unheimlich froh und sehr dankbar, erst recht, da diese kleine und für mich recht peinliche Geschichte unser ganz persönliches Geheimnis bleiben sollte … bis heute …
 
b) während des 2. Weltkrieges
… die Situation in und um Danzig wurde nun täglich, man kann durchaus behaupten, zunehmend dramatischer.
Die Nerven der Menschen lagen oft blank, die Reizschwelle war überschritten worden und so eskalierten zu Weilen im zivilen, als auch im militärischen Bereich einfache Situationen, die nur Wochen zuvor, lediglich mit einem Lachen ihren Ausgang gefunden hätten. Alle Hemmungen, die einem mit moralischen Werten erzogenen und verantwortungsbewussten Menschen auferlegt waren, schrumpften auf ein Minimum, unter dem stetig anwachsenden Druck aus dem Osten, zu einem kleinen unbedeutenden Nichts zusammen.
Hier möchte ich auch ein Beispiel anführen, wie sich der „Stolz Deutschlands“, die sogenannte Waffen-SS, gegen den Nachwuchs des eigenen Deutschen Volkes richtete.
… Aufrechte, dem Führer treu ergebene junge Männer, voll mit Gewalt eingeimpfter Ideale, alle mit dem gemeinsamen Ziel: Ehre und Ruhm für das Vaterland, für das Deutsche Volk zu erlangen, stramm und ohne Makel zu sein, auf der fleckenlosen schwarzen Uniform …
„He, Alfred, komm schnell herunter und bring dir eine Milchkanne mit, aber eine große!“, rief mir Siegfried, mein Schulkamerad durch die halb geöffnete Haustür aufgeregt zu. „Was soll ich mit ´ner Milchkanne?“, fragte ich ihn.
„Im Hafen ist ein Waggon aus den Schienen gesprungen, der ist voller Marmelade! Die andern sind auch schon da!“
Ohne nachzudenken, griff ich mir die braune mit weißen Punkten emaillierte Milchkanne und rannte Siegfried in Richtung Hafen hinterher.
Schon aus der Entfernung sah man deutlich den schräg geneigten braunen Güterwagen. Die seitlichen Schiebetüren standen, aus den Führungsschienen gesprungen, offen und einige hinausgerollte Fässer, aus denen rot leuchtende Marmelade austrat, lagen angeschlagen auf den Nachbargleisen. Mehrere Jungen, große und kleinere, leckten sich voller Eifer die Finger wund. Immer wieder steckten sie ihre Hände gierig nach der süßen, fruchtigen Köstlichkeit aus. Einige hatten sich Marmelade in ihre Mützen gefüllt und versuchten diese, nun irgendwie nach Hause zu bekommen. Siegfried und ein paar andere Jungen, ich natürlich auch, füllten eifrig unsere Milchkannen, bevor die Bahnarbeiter kamen und dem fruchtig süßen Treiben schnell Einhalt gebieten würden.
Gerade als ich mir das frohe Gesicht meiner Mutter und Großmutter vorzustellen begann, wie ich ihnen stolz meine Ausbeute präsentieren würde, hielt mit quietschenden Reifen ein Mannschaftswagen der Waffen-SS. Ohne Kommando sprangen von der verplanten Ladefläche Truppen hinunter und umstellten im Dauerlauf in einer lang gezogenen Reihe den Waggon und uns Kinder. Ein kleiner, hagerer Standarten- oder Sturmbahnführer begann, aus dem Kreis der SS heraustretend, kreischend seine Tiraden herunterzurattern. Manch einer hielt es noch für einen Spaß, eine Lehre oder eine strenge Lektion, die uns der Stolz des Deutschen Volkes erteilen wollte. Wenige Atemzüge später begriffen aber selbst die kleineren Jungen unter uns, in welch unglücklicher Lage sie sich befanden.
Voller Angst blickte nicht nur ich in die Mündungen der Maschinengewehre. „Aufstellung!“, hörte ich nur, als ein kleiner Junge, seine Nerven verlierend, seine mit Marmelade gefüllte Mütze fallen ließ und weinend losrannte.
Der darauffolgende Schuss, der stürzende und sich im Fallen überschlagende Junge ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Mit allem hätten wir gerechnet, doch jetzt war klar, hier erteilte man nicht nur Lehren.
Der kreischende Verantwortliche ging zu dem Jungen und schoss dem in den Rücken Getroffenen nun noch einmal mit seiner Pistole direkt in den Hinterkopf.
Alle zuckten zusammen, doch niemand traute sich, etwas zu sagen, geschweige denn, zu atmen. Ich hörte es plötzlich leise neben mir am Boden plätschern und sah vorsichtig hinab. Siegfried konnte sein Wasser nicht mehr halten.
Ein leises Knarren im seitlich gekippten Waggon lenkte die Blicke aller auf sich. Der Standartenführer entriss einem der ihm Unterstellten das Maschinengewehr und feuerte eine Salve in den Waggon, durch die intakten Fässer hindurch. Wir sahen weg.
Man schob und zerrte an uns. Völlig willenlos ließen wir alles mit uns geschehen, fast so, als beträfe es nicht uns selbst. Mit mehr als weichen Knien standen wir so irgendwann alle in einer Reihe beisammen. Ich stand etwa in der Mitte. Manch einer schluchzte. Wir hörten den Knall, dann noch einen und noch einen. Ein Junge nach dem anderen fiel durch einen Genickschuss getroffen vorn über in den Dreck. Wir sahen es, registrierten es, glaubten aber nicht, was da geschah. Aufwachen, du musst aufwachen, versuchte ich mich gegen diesen Alptraum zu wehren.
Ich schloss meine Augen und begann zu beten.
„Sind sie wahnsinnig, Mann?“, schrie da jemand.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ein weiterer Vorgesetzter hinzugekommen war. Niemand hatte in dieser Situation auf den kleinen herannahenden Militärjeep geachtet. Offenbar war es ein Hauptmann, der hinzugekommen war, was man aus einiger Entfernung an den Schulterstücken sehen konnte. Jedenfalls ein ranghöherer Offizier.
Der Sturmbahn- oder auch Standartenführer wurde in Gewahrsam genommen und von zwei Soldaten flankiert abgeführt.
Weder Siegfried, bis wir uns aus den Augen verloren, noch ich haben darüber jemals bis heute ein Wort verloren, auch nicht zu unseren Müttern. Ich weiß nicht, wie es den anderen Jungen erging, ob und wie sie es verarbeiteten, doch ich habe es in weite Ferne geschoben …
 
c) vor der Wende (1987)
… alles verlief wie in einem bösen, aber sehr realen Traum. Im halbwachen und nur „mühsam“ erreichten alkoholisierten Zustand, registrierten wir nur am Rande, auf welche Kompanien wir aufgeteilt werden sollten. Keiner der zukünftigen „jungen Genossen“ war sich bislang der gesamten Tragweite dieses unfreiwilligen Abenteuers bewusstgeworden.
Olli und Harder hatten als einzige Glück, sie bekamen von alldem nichts mehr mit.
Alfred saß bereits im Knast. Er hatte lediglich sein Ansinnen etwas zu untermalen und mit einem Fausthieb klarzumachen versucht, dass er nicht vorhatte, den Bus zu verlassen, welcher uns zuvor in das Armeeobjekt brachte.
Als die sehr hilfsbereiten Genossen voller Verständnis mit den weißen Gürteln und ihren MPI-s kamen, hat er sich auch auf diese gestürzt.
… und wie wir staunten … sollten wir jemals in den Ausgang gelassen werden, mit Alfred (1,70 m) an unserer Seite, brauchten wir uns um nichts mehr Gedanken zu machen. Eines wussten wir nämlich schon, dass die Halbstarken, des damals noch recht kleinen Ortes Zingst, Armeeangehörige hassten, die nur 18 Monate dienten. Warum auch immer …
Olli lag jedenfalls schnarchend auf der grau gestrichenen Bank vor der 5. Kompanie und Harder tat es ihm auf dem zweiachsigen Karren, auf dem man wirklich alles Mögliche transportierte, gleich. Es gab nur einen winzigen Unterschied.
Olli hatte sich unter Kontrolle. Bei Harder konnte man an der hohen Konzentration der Fliegen, welche sich in seiner Schrittgegend aufhielten erkennen, dass irgendetwas fürchterlich schiefgelaufen sein musste. So standen wir mehr oder weniger wankend, vor dem Eingang der 5. Kompanie und verfolgten hoch motiviert das lustige Treiben der Fliegen.
„Soldat Lose, Wosmann, Marschinkowski, Pape, Kasprowski mitkommen!“, krähte unverhofft eine schrille kleine Kröte.
Erschrocken sahen wir uns um. Verunsichert fragten wir uns, weshalb dieser kleine Kerl so dreist und unfreundlich war, auch waren wir doch nicht taub.
Fiese Augen funkelten listig in ihren viel zu großen und, durch mangelnden Schlaf, auch viel zu dunklen Höhlen. Ungewöhnlicher Weise trug dieser Zwerg mit der Statur eines zehnjährigen und dem Mundgeruch einer vergammelten Mumie einen kleinen Oberlippenbart. Wer war das?
… oder sollte man besser fragen, was war das? Verwirrt standen wir alle wenig später vor dem viel zu großen Schreibtisch im Zimmer unseres zukünftigen Hauptfeldwebels. Vorsichtig stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, ob er nicht auf einem Stuhl, sondern gar auf dem Fußboden sitzen würde … aber nichts da, der kleine fiese Gnom hatte sich sogar noch ein dickes Kissen unter sein südliches Ende geschoben, um überhaupt noch mit seiner Unterlippe über den Rand des Tisches zu reichen.
Gönnerhaft rekelte er sich, auf dem für ihn viel zu großen Drehstuhl, gerade so wie ein zweijähriger, der seiner Mami stolz seinen ersten Haufen auf einer richtigen Toilette präsentierte.
„Genossen, willkommen in der fünften Kompanie des FRAZ 40!
Ich bin gewissermaßen die Mutter der Kompanie. Hä. Hä. Hä. kleiner Scherz.“ Er war allerdings der einzige der darüber lachen konnte.
„Scheiße, wenn der hässliche Zwerg die Mutter ist, dann möchte ich den Alten gar nicht erst kennenlernen“, entglitt es dem sturzbetrunkenem Lose. Allerdings laut genug, damit es unser Gegenüber auch hören konnte. Sofort erkannten wir, dass dem Hauptfeld jeglicher Humor fehlte, da wir die einzigen waren, die das entsprechend zu honorieren wussten.
Im Nu fanden wir uns alle unter ohrenbetäubendem Gebrüll vor der Tür des Hauptfelds wieder.
Das war eine sehr gelungene Ansprache fanden wir und konnten uns kaum mehr einbekommen.
„Willkommen Genosse Soldat!“, äfften wir alle nacheinander unserem Gegenüber zu. Man, wir hatten keine Ahnung ... wie konnte ein so kleiner Gnom nur eine solch gewaltige Stimme besitzen? … denn auch er konnte sich nicht mehr einbekommen.
Immer noch dröhnte es durch die verschlossene Tür über den langen Flur. Es wurde uns nun aber langsam zu laut, denn man konnte sogar sein eigenes Wort nicht einmal mehr verstehen und so verließen wir das Gebäude erst einmal wieder.
Noch immer, nach endlos scheinenden Minuten, hörten wir ihn toben.
Erst nach einer Weile verstanden wir, warum er sich immer noch so echauffierte. Er schien uns offenbar zu suchen. Wir fanden das Versteckspiel hingegen sehr erbaulich, denn hatte er uns nicht selber zuvor rausgeworfen?

Es dauerte jedenfalls eine Weile, bis sich die erste Aufregung legte, wir uns mit dem Hauptfeld verständigten und uns endlich auf unseren einzelnen Zimmern wiederfanden.
Ich kam mit Soldat Wosmann auf eine Bude, Zimmer 5.
Er, groß, kurze blonde lockige Haare, arrogant oder um es kurz und trefflich zu sagen, die Urschablone des allgemein bekannten Arschloches schlechthin.
Erst als wir uns besser kennen lernten, wurden wir doch tatsächlich richtig dicke Freunde. Keine von den Eigenschaften, die wir anderen ihm anfänglich zusprachen, trafen zu. Der äußere Schein stellte nur seine eigene persönliche Schutzfunktion dar, aber dazu später mehr.
Jetzt saßen wir erst einmal alle auf Loses neuer Bude und tranken die Reste unseres Schmuggelgutes aus. Wir rekelten, uns von den ersten Strapazen erholend, genüsslich auf den ordentlich gemachten Betten. Nur Gott allein wusste, wer sie in seiner großen Aufmerksamkeit und Fürsorge für uns bezogen hatte, oder wem sie gehörten. Um nicht über unser Elend heulen zu müssen, sangen wir, uns nebenher gegenseitig Mut zusprechend, auch alle möglichen Lieder, die uns einfielen.
Jeder schien, trotz des enormen Alkoholkonsums, aber langsam zu begreifen, wo wir uns befanden, was passiert war, aber zusammen waren wir stark!
Wir waren Wismarer und Poeler, die sich kannten, kamen alle von der Ostküste, dem Roten Sektor des Nordens, die zusammen kämpfen und nie untergehen würden.
Plötzlich flog die Tür auf. „Das ist ja wohl der pure Größenwahn! Nehmen sie gefälligst Haltung ein! Grundstellung, wenn ein Vorgesetzter den Raum betritt!“
„Häh? Grundstellung?“ Klick machte es offenbar bei zweien der jungen Genossen! „Ist es so richtig?“ Kasprowski und Lose, beide Poeler, demonstrierten anschaulich Paarungsversuche, wie sie es von der Poeler Rinderbesamungsstation her kannten. Wir gerieten außer uns … der Spieß allerdings auch. Seine Stimme überschlug sich und übertönte sogar unseren wohlwollenden Beifall.
„Erstes Diensthalbjahr, reißen sie sich zusammen!“, brüllte der Hauptfeld erneut.
Was wussten wir schon von einem Hauptfeld, Spieß usw.?
Soldat Kasprowski war der Meinung, dass der gute Mann sicher etwas zu sagen hatte. „He, he wartet mal, vielleicht ist er ja doch ganz wichtig und wir sollten besser nett zu ihm sein?“ „Wichtig?“ Mir wurde schlecht. Zu viele künstliche Stimulanzien machten nun selbst das Denken beschwerlich.
Für einen letzten Geistesblitz sollte es aber noch reichen. „Wichtig? … ist das nicht irgendwie ein gebeugtes Wort und kommt das nicht von Wicht?“
Die Folgen meiner grammatikalischen Analyse uferten sogar in einer allgemeinen Taschenkontrolle aus …

Noch Wochen später diskutierten wir gerne darüber, warum es nur bei den unliebsamen Worten des Hauptfelds blieb. Es gab jedoch nur eine einzige Erklärung. Noch waren wir nur Bürger der DDR und unvereidigt, uns konnte zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls bis zur Vereidigung, absolut noch nichts passieren …
 
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