Allgemeines
 
Zur Person
 
Der Ablauf
 
Leseproben & Referenzen
 
Kontakt
 
Datenschutz
 
unsere AGB
 
Impressum
 
 
 
Herzlich
Willkkommen!
 
Leseprobe - Abenteuerroman - Historie
Das gefühlte tiefe Unbehagen und die düstere Stimmung der Menschen glich dem Wetter, wie es an diesem finsteren Wintertag im Jahre 1523 der Fall war.
Mit grausamer Kraft tobte gerade in ganz Europa eine erbarmungslose Hexenverfolgung. Vorwiegend wurden Frauen Opfer dieser unmenschlichen Jagd auf alles, was der Kirche bei der Umsetzung ihres göttlichen Plans im Wege stand. Doch auch Männer und selbst Kinder waren niemals vor dem Zugriff der Inquisition sicher, sobald auch nur der kleinste Verdacht laut wurde.
Oft genügte der neidvolle Blick eines Nachbarn auf den eigenen Besitz, eine unerfüllte und nicht erwiderte Liebe einer schönen Frau, oder einfach nur die Fähigkeit anderen Menschen helfen zu können, um der Hexerei bezichtigt zu werden.
Das Wissen um die Heilkräfte von Pflanzen, das Erkennen von all den vielen und schönen Dingen, welche doch von Gott für den Menschen geschaffen und ihnen gegeben wurden, das Verständnis für die Zusammenhänge und Abläufe der Natur, reichten ebenso aus, um als Hexe oder Magier denunziert zu werden. Selbst Kinder, welche weitsichtiger und offener als ihre Altersgenossen waren, wurden verfolgt und nicht selten hingerichtet.
Der Winter war in diesem Jahr mehr feucht als kalt. Frost gab es bislang kaum und so blieb der Boden des kleinen, unter dem Neuschnee kaum wahrnehmbaren Pfades, des bewaldeten Bergtales, auf dem ausgemergelte zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen entlanghetzten, angenehm weich.
Irgendetwas musste die beiden Kinder jedoch zur besonderen Eile antreiben. Angsterfüllt sahen sich die Geschwister immer wieder, wie nach möglichen Verfolgern, um. Der unter dem Schnee noch nicht gefrorene Waldboden machte ihnen das Laufen ein wenig leichter, als wenn er bereits vom Frost erhärtet wäre.
Über Nacht hatte der Winter jedoch mit eiserner Faust zugeschlagen. Wie von Zauberhand geschaffen, lag das gesamte Tal unter einer dichten Decke aus glitzernden, weißen Flocken begraben.
Normalerweise hätten die beiden Kinder, wie ihre Altersgefährten, sich an der herrlichen winterlichen Pracht erfreut und im Schnee ausgelassen getobt, doch danach stand ihnen heute nicht der Sinn. Im aufkommenden morgendlichen Dämmerlicht neigten sich ihnen die schneebedeckten Wipfel der Nadelgehölze bedrohlich wie Unholde aus einer fremden Welt entgegen. Wie finster musste es selbst an diesem Ort, der von seltsam geformten Gesteinsbrocken und Felsen umgeben war, erst ausgesehen haben, bevor die reine weiße Pracht all das Übel und Unheil dieser Welt scheinbar unter sich begrub? „Eine Pause, bitte, nur eine kleine Pause!“, schnaufte der achtjährige Melchor, der mit seiner rechten Hand nach dem Arm von Johanna griff, „dann können wir weiter!“
„Komm kleiner Bruder, du hast es so tapfer, lange genug getragen, lass uns wechseln. Ich nehme es jetzt. In Ordnung?“ Dankbar übergab Melchor seiner elfjährigen Schwester ihr kleines armseliges Bündel, was er bislang unter seinem linken Arm getragen hatte. Während sich Melchor keuchend vorn über beugte, fand Johanna in dem Bündel ihr letztes Stück Brot. Sorgsam brach sie es in zwei unterschiedlich große Hälften. Das größere Stück gab sie mit einem liebevollen Lächeln ihrem Bruder.
Trotz des eingesetzten Winters standen beiden Kindern die Schweißperlen auf der Stirn. Ob diese von der Anstrengung, des im Dauerlauf zurückgelegten Weges herrührten, oder ob es die Angst war, welche ihnen den Schweiß aus den Poren trieb, hätte keiner von beiden zu sagen vermocht.
Als Melchor sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick ganz beiläufig auf die nahen verschneiten Berghänge. „Letzten Winter Johanna, erinnerst du dich noch? Wir waren schon einmal hier, mit Mama und Papa und sammelten Tannenzapfen zum Heizen und Papa stellte sogar zwei kleine Fallen auf … ich kann sogar noch den Duft der gebratenen Eichhörnchen riechen … doch jetzt?“
„Ich weiß es auch noch Melchor, wie könnte ich das jemals vergessen? … und nun haben wir nur noch uns, doch eines Tages, in einer anderen Welt, da werden wir Mama und Papa wiedertreffen. Ganz bestimmt.“
„Ehrlich? Ganz wirklich? Versprichst du es mir?“
„Ich brauche es dir nicht zu versprechen, weil du es doch auch selber weißt … aber gut Melchor, ich verspreche es dir!“, fügte Johanna nach einer kurzen Pause beruhigend hinzu.
„Ich glaube dir, doch trotzdem …“
Eine unendlich tiefe Traurigkeit überkam Melchor und Tränen, derer sich ein achtjähriger Knabe nicht zu schämen brauchte, rannen ihm an seinen kindlichen und von der Kälte rosig gefärbten Wangen herunter.
Ohne ihr kleines Stück Brot dabei aus der Hand zu legen, umarmte Johanna ihren jüngeren Bruder mit all der Wärme, welche eine große Schwester zu geben in der Lage war. Eine einzige herausgelöste wirre Strähne ihrer langen blonden Zöpfe kitzelte Melchor dabei an seinem Ohr, der daraufhin ein argloses Glucksen von sich gab. Behutsam strich sie ihm über seinen ebenfalls blonden Schopf und entfernte dabei gleich ein paar Tannennadeln, welche sich beim Laufen durch das Unterholz in seinen Haaren verfangen hatten. Die kurze Umarmung tat den beiden Kindern gut, da es jedem von ihnen die Gewissheit gab, das ihnen wenigstens ein lieber und vertrauter Mensch geblieben war.
Ein kaum wahrnehmbares plötzliches Knacken im Unterholz ließ die Geschwister aufmerken und in die gleiche Richtung blicken.
„Oh nein, Johanna, sind sie es, haben sie uns etwa schon eingeholt? Ich dachte, wir hätten einen genügenden Vorsprung?“ Ängstlich, fast wie hilfesuchend, blickte Melchor zu seiner größeren Schwester auf.
„Ich weiß es nicht Melchor, denke aber eher nicht. Sicher ist es nur ein Tier“, beruhigte sie ihn.
Noch einmal, bevor sie ihren Fluchtweg im Laufschritt weiter fortsetzten, sahen sich die beiden Kinder in alle Richtungen um und vergewisserten sich, dass sie immer noch alleine waren. Als sie nichts und niemanden entdeckten, konnten sie sich sogar ein wenig entspannen. Johanna nahm liebevoll die Hand ihres kleinen Bruders, der geistig wesentlich älter schien, als sein kindlich wirkender Körper. Dann setzten sie ihre Flucht im Eiltempo fort, um diesen Ort so schnell als möglich verlassen zu können.
Allerdings hatten beide nicht die neugierigen Blicke eines fremden Jungen gespürt, der frierend und zitternd mit blauen Lippen zwischen den Felsbrocken kauerte, über welchen ein weit ausladender Tannenzweig hing und ihn so vor ihren Augen bisher verborgen hatte …
 
zurück zu Leseproben & Referenzen >>